7. June 2023

Das Ende vom PeerBlog: Digital Relations Learnings?

Es hat sich bereits am Mittwoch abgezeichnet, jetzt wurden Nägel mit Köpfen gemacht: Das PeerBlog ist definitiv Geschichte. Die Macher hinter dem Blog haben die Reißleine gezogen, aber von einem Mea Culpa kann nicht die Rede sein, stattdessen mussten Hackangriffe als Begündung herhalten (zitiert nach den Ruhrbaronen): „Hinter den Virus- und Trojaner-Attacken steckt die Hacker-Gruppe „T3AM M3DUSA“, die auf Twitter ankündigte, den PeerBlog auf Dauer anzugreifen. Damit bleibt peerblog.de faktisch offline. Wir sehen uns deshalb gezwungen, die Website vom Netz zu nehmen.“

Damit hat man sich eher schlecht als recht aus der Affäre gezogen, was angesichts der bisherigen „Performance“ nicht weiter verwundert. Trotzdem sollte man sich fragen, was für Learnings aus der Unterstützer-Aktion gezogen werden können. Zum einen haben die Macher (bzw. Spender, angeblich hat das PeerBlog gut 100.000 Euro gekostet) die politische Kultur in Deutschland vollkommen falsch eingeschätzt. Es bringt nichts, ständig darauf hinzuweisen, dass solche Unterstützer-Blogs in Amerika gang und gäbe sind, wenn selbiges nicht auch für Deutschland gilt. Was dem Wähler in Texas zusagt, kann für den Wähler in Nordrhein-Westfalen eher abschreckend sein – außerdem funktionieren Wortspiele wie Wenn die Peer Group bloggtnicht, wenn der Kandidat Barack Obama heißt.

Außerdem hat man sich vorher offensichtlich keine Gedanken über die Stärken und Schwächen von Peer Steinbrück gemacht, denn sonst hätte man gemerkt, dass die zumindest derzeit größte Schwäche von Steinbrück das leidige Thema Finanzen ist. Also nicht die Staatsfinanzen, sondern seine persönlichen Finanzen. Und genau auf diese Schwäche hat das Blog eingezahlt. Unternehmer, die mal eben 100.000 Euro an der Parteienfinanzierung vorbei für Steinbrück locker machen – das hätte sich die Opposition nicht besser ausdenken können.

Nicht wenige Blogs haben zudem den schlechten (Schreib)Stil im PeerBlog kritisiert, während anderswo vom Bla-Revier geschrieben wird, kritisieren die Blogger auf ZEIT-ONLINE die Großmannssucht:

Es beginnt mit dem Ton. Der ist manchmal ziemlich plump: “Peer fordert zweites Duell – Merkel kneift”. Das könnte auch von der Pressestelle im Willy-Brandt-Haus kommen.

An anderen Stellen ist der Ton überaus großspurig. Kein geringerer als Barack Obama dient den Peer-Bloggern als Vorbild. Wie man gleich im ersten Absatz der Selbstdarstellung erfährt. Und, ja, auch die “arabischen Revolutionen” bezeichnen die Autoren lässig als ihre geistigen Paten. Kleiner geht es kaum.

Naja, das dürfte vermutlich eher Geschmackssache sein, außerdem müssen PR-Agenturen sich auch immer in ein Thema hineinschreiben, auf Anhieb findet vermutlich niemand den zu 100 Prozent richtigen Ton, auch wenn viele Agenturen das behaupten. Beim Berliner Tagesspiegel hingegen wirft man einen Blick auf die generellen Schwächen von Steinbrücks (digitalen) Auftritt, in einem lesenswerten Kommentar schreibt Christian Tretbar:

Steinbrück fehlt noch immer der Zugang zur Netzwelt. Weder er noch seine Mannschaft haben bisher einen Weg für eine angemessene Kommunikation gefunden. Mag sein, dass er im Netz nicht viel zu gewinnen hat – dafür ist es wohl schon zu spät. Aber er kann noch immer eine Menge dort verlieren.

Was vermutlich stimmt. Weder auf Facebook, noch auf Twitter macht Steinbrück eine gute Figur. Sein Twitteraccount, der fast ausschließlich vom Team gepflegt wird, lebt kaum noch, selbst die Tweets, die mit (ts) gekennzeichnet sind und vom „Team Steinbrück“ stammen, erscheinen nur noch sporadisch, die letzte digitale Auszeit dauerte vom 28. Januar bis heute:

Twitterpause

Statt wenigstens zu versuchen, noch irgendwie auf die Diskussion um das PeerBlog einzugehen, lässt man sich einfach nicht mehr im Netz blicken. Auch eine Form der Krisenkommunikation, aber sicher nicht die, mit der man im Netz Freunde gewinnt. Da schneidet selbst die Kanzlerin besser ab, die um das Netz schlichtweg einen großen Bogen macht – auch wenn das alles andere als weitsichtig ist.

 

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Twitternde Politiker: Amerika top, Deutschland mittelmäßig

Eine mehr als beeindruckende Zahl, die Twitter kurz vor der Vereidigung von US-Präsident Obama verkündet hat. Neben dem Präsidenten, dem auf  Twitter mittlerweile gut 26 Millionen User folgen, twittern mittlerweile alle einhundert Senatoren, bei den Abgeordneten des Repräsentantenhauses liegt die Quote bei 90 Prozent, 398 (von insgesamt 435) Abgeordnete setzen regelmäßig 140-Zeichen-Nachrichten ab:

 

Angesichts der US-Zahlen haben deutsche Blogger nachgerechnet, wie hoch denn der Anteil der Twitter-User unter den deutschen Parlamentariern ist. Laut SocialPunk liegt die Quote bei doch eher bescheidenen 40,8 Prozent, 253 Bundestagsabgeordnete sind demnach bei Twitter angemeldet, 367 ignorieren die Social Media-Kommunikationsplattform. Den höchsten Anteil hat dabei die Grünen Fraktion (69% der grünen MdBs twittern), gefolgt von der FDP (58%), der Linke (49%), der SPD (36%) und schließlich der Union (26%).

Wie kommt der Unterschied zwischen Amerika und Deutschland zustande?
Sucht man nach Gründen für die unterschiedliche Nutzung des Microblogging-Dienstes, dann muss natürlich zunächst das unterschiedliche Digitalverhalten auf den beiden Seiten des Atlantiks genannt werden. Amerika gehört noch immer zu den digitalen Vorreitern, viele Internet-Trends schwappen erst später nach Deutschland über, der durchschnittliche Amerikaner nutzt das Internet stärker als der durchschnittliche Deutsche, außerdem werden neue Anwendungen deutlich schneller adaptiert. Zudem legt die „Elite“ in Amerika ein deutlich anderes Digitalverhalten an den Tag, so sind etwa bloggende und twitternde Professoren in den USA so etwas wie der Normalfall, während viele deutsche Professoren das Netz als nicht standesgemäß empfinden. Insgesamt  besteht also ein Klima, das die amerikanischen Politiker deutlich schneller zu Twitter greifen lässt, als die deutschen Pendants.

Außerdem sollte man die Auswirkungen des Wahlrechts nicht gering einschätzen. In Amerika gibt es keine Listenplätze, jeder Politiker wird direkt gewählt. Und das gleich doppelt: Wie bei den Präsidentschaftswahlen muss sich jeder Abgeordnete des Repräsentantenhauses und jeder Senator zunächst in den Primaries (Vorwahlen) gegen die Konkurrenz aus der Partei durchsetzen, bevor er überhaupt zur Wahl aufgestellt wird. Gegenüber den deutschen Politikern, die eher parteiintern auf einen guten Listenplatz schielen, erhöht das natürlich den Druck, bekannter und populärer in der Bevölkerung zu werden – was dazu führt, dass die Politiker möglichst jede erfolgversprechende Kommunikationsform nutzen.

Zudem gibt es in den USA einen starken Obama-Faktor. Obama hat bei seiner ersten Präsidentschaftswahl 2008 massiv auf soziale Medien gesetzt – und das mit beachtlichem Erfolg. Dadurch entsteht natürlich auch bei den Gegnern ein Vorbild-Charakter, selbst erzkonservative republikanische Abgeordnete aus dem Bible Belt wollen zumindest in der Nutzung der modernen Kommunikationsformen ein kleiner Obama sein. Angela Merkel hingegen hat erst jüngst erklärt, dass sie auch nicht zur kommenden Bundestagswahl twittern will.

Ein weiterer Grund sind die Wahlen selbst: Natürlich wird jeder Politiker (wenn er denn was von Kommunikation versteht) sagen, dass er die sozialen Medien zum „digitalen Austausch“ oder wegen der „tollen demokratischen Partizipationsmöglichkeiten“ nutzt, aber entscheidend dürfte dann doch für die meisten eher der Wahlkampf sein. Bestes Beispiel hierfür sind die ganzen Twitter-Accounts von Politikern, die in der Wahlkampfzeit eröffnet werden, um dann aber nach der Wahl ein Schattendasein zu fristen. Und da in Amerika erst jüngst gewählt wurde (und das Repräsentantenhaus eh alle zwei Jahre gewählt wird) und in Deutschland der Wahlkampf für die Bundestagswahl noch nicht richtig angelaufen ist, dürfte der Vergleich USA-Deutschland durch den Zeitpunkt etwas verzerrt sein.

In acht Monaten (Bundestagswahl ist am 22. September 2013) dürfte die große Lücke zwischen den twitternden Politikern in Amerika und in Deutschland deutlich kleiner geworden sein, eine Voraussage, die Görs Communications gleich nach der Wahl hier im Blog unter Beweis stellen wird.

 

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