19. March 2024

Qualitätsjournalismus als Vorbild fürs Content Marketing?

Das Geschrei war groß in Amerika. Jeff Bezos, Gründer von Amazon und mehrfacher Milliardär, hatte die altehrwürdige Zeitung „Washington Post“ für 250 Millionen Dollar übernommen. Das Problem: Washington Post war mal eine wirklich wichtige Zeitung in Amerika, ihre Sternstunden hatte sie in der Watergate-Affäre gehabt, in deren Folge Washington-Post-Reporter Bob Woodward und Carl Bernstein 1973 den Pulitzer-Preis bekamen. Die Washington Post war daher eine Institution, die zwar sehr schwer mit der Umstellung aufs neue Medienzeitalter zu kämpfen hatte, aber immer noch für guten Journalismus stand.

WaPo-Online
Die Online-Ausgabe der Washington Post

Mit der Übernahme der Washington Post durch Jeff Bezos verbanden sich vornehmlich zwei Befürchtungen, die für die enorm negative Presse bei der Übernahme verantwortlich waren. Zum einen hatten die Beobachter Angst, dass die Washington Post nur zu einem Spielzeug von einem gelangweilten Milliardär verkommt, der diese, sobald sie ihn langweilt, auch wieder verscheuert – und das mit dem entsprechenden Substanzverlust. Zum anderen wurde befürchtet, dass Jeff Bezos mit der Washington Post auf Teufel komm raus Geld verdienen will und diese durch schlechte, aber reißerische Bildstrecken oder Listicles und anderem Clickbaiting verramscht. Kurz: Der Milliardär würde schon dafür sorgen, dass die Zeitung nicht mehr für Qualitätsjournalismus stehen würde, sondern für Online-Ramsch.

Komischerweise geschah aber das Gegenteil. Statt die Washington Post zu verramschen, investierte Bezos in guten Journalismus. Statt Journalisten zu entlassen, stellte er zusätzliche Reporter und Programmierer für die Webseite und die Apps ein, und das mit ziemlichem Erfolg. Mittlerweile gehört die Washington Post zu den meistgelesenen Online-Nachrichtenportalen der Welt. Das Erfolgsgeheimnis dahinter lautet Technik (Datenanalyse!) und Qualitätsjournalismus. Mittlerweile heimst die Zeitung dafür jede Menge Lob ein, vom Ramsch-Modell ist keine Rede mehr, stattdessen werden ihre guten journalistischen Inhalte gelobt.

Und die Washington Post ist beileibe keine Ausnahme. War vor wenigen Jahren noch der Siegeszug von Seiten wie BuzzFeed ausgemacht, dreht sich mittlerweile das Blatt. Die New York Times verdient online so viel Geld, dass sie endlich die Verluste im Print-Geschäft ausgleichen kann, der englische Guardian erreicht eine weltweite Leserschaft und das Wirtschaftsblatt Economist mausert sich nicht trotz, sondern wegen seiner qualitativ hochwertigen Beiträge zu einem der führenden Online-Medien. Und das zeigt sich auch in Deutschland, so zeigte sich etwa der Zeit-Online-Chefredakteur Jochen Wegner selbst etwas erstaunt, dass ausgerechnet die langen und ausführlichen Artikel so viel Traffic verursachen.

Offensichtlich setzt sich auch Online mittlerweile die Qualität durch – eine Entwicklung, die vielleicht sogar noch dadurch beschleunigt wird, dass Facebook gezielt gegen Clickbaiting vorgehen will.

Hochwertiges Content Marketing

Wenn der Trend bei Online-Nachrichtenportalen so aussieht, dass Qualitätsjournalismus sich durchsetzt, sollte das dann nicht auch den Content-Marketing-Verantwortlichen in Unternehmen, PR-Agenturen und Marketing-Agenturen zu denken geben? Sollten die Verantwortlichen für die Kommunikation sich dann nicht auch die Washington Post oder die New York Times zum Vorbild nehmen?

Die Antwort darauf lautet – wie so oft – Jein. Content Marketing hat weder die Ressourcen noch das Ziel, mit wirklich hochwertigen Nachrichtenplattformen wie der New York Times zu konkurrieren. Wer auch immer das machen will, hat wenig bis gar keine Ahnung vom effizienten Einsatz eines beschränkten Budgets. Ersteller von Content-Marketing-Inhalten sollten sich auch niemals für die besseren Journalisten halten, das wäre einfach vermessen. Jedoch – und da können sich die Content-Marketing-Verantwortlichen Zeitungen wie die Washington Post zum Vorbild nehmen – sollte der Trend zu hochwertigen Inhalten auch im Content Marketing berücksichtigt werden.

Hochwertiges Content Marketing zeichnet sich durch bestimmte Merkmale aus, die es von gewöhnlichen Inhalten unterscheiden. Hier sind 10 Merkmale von hochwertigem Content Marketing sowie einige Best Cases als Beispiele:

  1. Relevanz für die Zielgruppe: Hochwertiger Content ist auf die spezifischen Bedürfnisse, Interessen und Herausforderungen der Zielgruppe zugeschnitten.
    • Best Case Beispiel: Red Bull’s „Red Bull Stratos“ Projekt, bei dem der Sprung von Felix Baumgartner aus der Stratosphäre live übertragen wurde, zielte auf Abenteuer- und Extremsport-Enthusiasten ab.
  2. Authentizität und Glaubwürdigkeit: Guter Content basiert auf Fakten, Forschung und Expertenwissen, was die Glaubwürdigkeit erhöht.
    • Best Case Beispiel: Die Website „Moz“ bietet qualitativ hochwertigen, datengestützten Content über SEO und Online-Marketing.
  3. Kreativität und Originalität: Hochwertiger Content hebt sich durch kreative Ansätze, originelle Ideen und innovative Formate ab.
    • Best Case Beispiel: Die „Dumb Ways to Die“ Kampagne der Metro Trains in Melbourne verwendet eine einzigartige Kombination aus Musik und Animation, um Sicherheitsbotschaften zu vermitteln.
  4. Verständlichkeit und Klarheit: Der Content sollte einfach zu verstehen sein und komplexe Konzepte leicht vermitteln.
    • Best Case Beispiel: Die „Will it Blend?“ Kampagne von Blendtec verwendet einfache Videos, um zu zeigen, wie leistungsstark ihre Mixer sind.
  5. Mehrwert und Nutzen: Hochwertiger Content bietet der Zielgruppe einen klaren Mehrwert, indem er Fragen beantwortet, Probleme löst oder Informationen bereitstellt.
    • Best Case Beispiel: Der „Michelin Guide“ bietet detaillierte Restaurantbewertungen und -empfehlungen für Feinschmecker.
  6. Einbindung der Zielgruppe: Guter Content fördert die Interaktion und Einbindung der Zielgruppe durch Kommentare, Diskussionen oder Social-Media-Aktivitäten.
    • Best Case Beispiel: Airbnb’s „Community Center“ fördert die Kommunikation und den Erfahrungsaustausch zwischen Gastgebern und Gästen.
  7. Konsistenz und Aktualität: Hochwertiges Content Marketing erfordert eine konsistente Veröffentlichungsstrategie und aktuelle Informationen.
    • Best Case Beispiel: Das „Buffer Blog“ veröffentlicht regelmäßig aktuelle Artikel zu Social-Media-Trends und -Strategien.
  8. Visuelle Anziehungskraft: Bilder und visuelle Elemente werden effektiv genutzt, um den Content ansprechender und verständlicher zu gestalten.
    • Best Case Beispiel: Die „National Geographic“ Instagram-Seite teilt atemberaubende Fotos und Geschichten aus der ganzen Welt.
  9. Storytelling: Geschichten werden genutzt, um eine Verbindung zur Zielgruppe herzustellen und Botschaften emotional zu vermitteln.
    • Best Case Beispiel: Die „Always Like a Girl“ Kampagne setzt auf Storytelling, um Stereotypen zu brechen und das Selbstwertgefühl von Mädchen zu stärken.
  10. Nachverfolgbarkeit und Messbarkeit: Hochwertiges Content Marketing ermöglicht die Messung von Leistungskennzahlen (KPIs) und die Anpassung der Strategie auf Grundlage von Daten und Analysen.
    • Best Case Beispiel: Die „Coca-Cola Journey“ Website nutzt Analytik, um die Leistung ihres Contents kontinuierlich zu verbessern.

Diese Merkmale und Best Cases zeigen, dass hochwertiges Content Marketing eine umfassende und durchdachte Strategie erfordert, die auf die Bedürfnisse der Zielgruppe ausgerichtet ist und qualitativ hochwertigen Content produziert, der echten Mehrwert bietet.

Fazit: Journalismus und Content Marketing

Gute Inhalte sorgen bei den Online-Nachrichtenmagazinen für nachhaltigen Erfolg. Einfach nur den Klicks mit billigen Inhalten zu generieren, schafft zwar anfangs Traffic, aber wirklicher Erfolg stellt sich damit über längere Zeiträume nicht ein. Eine recht simple Wahrheit, die sich 1-zu-1 auch aufs Content Marketing übertragen lässt. Lieber mit guten und interessanten Inhalten Besucher an sich binden, als die Knickzahlen durch reißerische Überschriften und billigen Massencontent zulasten der wiederkehrenden Besucher (und der Marke!) hochzujagen. Im Zweifel ist Qualität schließlich besser als Billigware, gerade im Journalismus und im Content Marketing.

Diesen und weitere Blog-Artikel zu Public Relations (PR), Content, Marketing, Digitalisierung und Kommunikation gibt es im Görs Communications Blog auf https://www.goers-communications.de/pr-werbung-beratung/blog

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